Mittwoch, 17. April 2013

Die Zähne des Hundes

Labrador-Retriever-Hündin Bonny schläft. Ihrer Besitzerin war aufgefallen, dass die Spitze des unteren rechten Fangzahns fehlt und der Zahn sich braun verfärbt. Jetzt liegt Bonny auf dem Behandlungstisch der Zahnspezialist in der Tierarztpraxis. Im Fang der Hündin steckt ein zehn Zentimeter langes Beissholz. Die Maulsperre soll ihre Kiefer so weit auseinanderhalten, dass der Tierarzt gefahrlos, bequem und ungehindert arbeiten kann. 

Die Behandlung geschieht unter Narkose, wie fast alle Eingriffe, die an Zähnen durchgeführt werden. Zu wehrhaft sind die Patienten, als dass der Tierarzt mit einer lokalen Betäubung arbeiten könnte. Der Tierzahnarzt sitzt im blauen OP-Hemd vor Bonny und schiebt eine Metallsonde in den eröffneten Wurzelkanal ihres beschädigten Zahns. Eine Röntgenaufnahme des kranken Hauers flackert auf dem Laptopbildschirm hinter ihm. "Der Zahn ist tot", stellt der Tierarzt fest. Er könnte ihn jetzt ziehen, was bei der beachtlichen Grösse des Objekts keine einfache Angelegenheit wäre. Die Besitzerin möchte den Zahn aber nach Möglichkeit erhalten. "Nicht wegen der Schönheit", wie sie sagt, "sondern weil man beim Menschen auch keinen Zahn unnötig zieht." 

"Das ist zwar etwas aufwendiger, aber der Zahn kann noch Jahre gute Dienste leisten", erläutert der Tierarzt. Die abgestorbenen Gewebsreste in der Zahnwurzel müssen entfernt werden, anschließend wird der Wurzelkanal verschlossen und der Zahn mit einer Kunststofffüllung versiegelt. Hundezähne sind Greifinstrumente, Kauwerkzeuge und Waffen in einem. Arbeitshunde wie Polizei-, Jagd- oder Schutzhunde brauchen intakte Zähne, und deshalb entscheiden sich die Halter solcher Profihunde meist für eine zahnerhaltende Füllung. 

Bei einem Familienhund ist ein Zahn nicht unbedingt überlebensnotwendig. Es ist jedoch zu bedenken, dass das mit dem Ziehen des Zahns beim Hund oft eine traumatische Angelegenheit sein kann. Viele Zähne sind mit drei langen Wurzeln tief im Kieferknochen verankert. Da braucht der Zahnarzt viel Geschick und Erfahrung, damit hier nichts abbricht und im Kiefer verbleibt. Solche Reste können zu üblen Entzündungen führen. 

Typisches Spielergebiss 
Bei genauer Untersuchung von Bonnys Gebiss wird deutlich: Auch an den anderen Eckzähnen sind die Zahnspitzen beschädigt. Zwar liegen die Nerven dieser Zähne nicht frei, jedoch sind deutliche Veränderungen zu erkennen. Bonnys einst so scharfe Beißer sind stumpf geworden, als hätte sie viele Stunden lang auf Schleifpapier herumgekaut. "Sie hat ein typisches Spielergebiss", kommentiert der Tierzahnarzt und deutet mit dem Finger in Bonnys Maul. Wenn ein Vierbeiner täglich Steine, Stöckchen oder Tennisbälle herumträgt, leiden seine Zähne unweigerlich darunter. Häufig ist es nicht nur das Spielzeug selbst, das den Zähnen schadet, sondern der an den Dingen haftende Sand, der den Abrieb der Zähne fördert. 

Besonders gefährlich sind Tennisbälle. Die Glasfasern, aus denen der wollige Überzug besteht, wirken wie Schleifpapier. Auch Zahnfehlstellungen, bei denen Zahn an Zahn stösst, führen zu Abrieb. Wenn Hunde auf harten Gegenständen wie Steinen, Stöcken, Knochen oder auch Ochsenziemern herumkauen, können die Zähne sogar brechen. Meist passiert das bei Hunden im Alter von etwa zwei Jahren. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Maulwerkzeuge eines Hundes erst im dritten Lebensjahr ihre endgültige Stärke erreichen. Werden die anfangs noch sehr dünnwandigen Zähne jedoch schon im ersten oder zweiten Lebensjahr zu stark beansprucht, können sie abbrechen. Deshalb sollte man bei einem vierbeinigen Jungspund lieber auf Zerrübungen und das Apportieren schwerer Gegenstände verzichten. Also lassen Sie ihn vielleicht doch besser die Zeitung tragen, um seinem oralen Trieb nachzugeben. 

Wie erkenne ich seinen Zahnschmerz? 
Hunde verweigern nicht unbedingt das Futter, wenn sie Zahnschmerzen haben. Meist fällt den Besitzern als Erstes ein Leistungsabfall ihrer Tiere auf. Die Tiere sind lustlos, gereizt und rasch erschöpft. Mit verschiedenen Tests können Hundebesitzer zu Hause prüfen, ob wirklich Zahnschmerzen vorhanden sind. 

So testen Sie zu Hause: 
  • Geben Sie Ihrem Hund kaltes und/oder warmes Wasser in den Napf und gucken Sie, wie er reagiert. Bei überempfindlichen Zähnen wird er nur ungern weiterschlabbern. 
  • Mit einem Kauknochen können Sie feststellen, ob er wirklich beidseitig, also mal auf der einen und auf der anderen Seite kaut. 
  • Auch die Klopfprobe auf dem möglicherweise betroffenen Zahn kann Aufschluss geben. Allerdings ist diese Methode nicht ganz ungefährlich, weil der Hund bei großen Schmerzen zuschnappen könnte. Sie sollte zur Sicherheit vom Tierarzt gemacht werden.
Die Füllung zum Schluss 
Labradorhündin Bonny hat es jetzt fast geschafft. Nachdem der Tierzahnarzt den Wurzelkanal ausgeräumt und gereinigt hat, bringt er eine desinfizierende Füllung ein. Zusätzlich werden zur randständigen Verdichtung dünne Guttapercha-Stäbchen, ein kautschukähnliches Baumprodukt, in den Wurzelkanal geschoben. Gemeinsam mit einer zementartigen Wurzelfüllmasse dichten sie den Wurzelkanal hermetisch ab, damit keine Erreger eindringen können. Danach wird der Wurzelkanal mit einer Kunststofffüllung verschlossen. Friedrich Roes mischt die Füllung an und füllt das Zahnloch. Ein süßlicher aromatischer Geruch strömt durch das Behandlungszimmer, und beim Hundebesitzer ruft sich der letzte eigene Zahnarztbesuch unweigerlich ins Gedächtnis. 

Ob man das Geld sparen kann? Dem Hund ist es mangels kosmetischen Selbstbewusstseins egal, ob sein Zahn gezogen wird oder erhalten bleibt. "Aber auch Besitzer von Familienhunden entscheiden sich oft für eine Zahnerhaltung, weil man dem Tier etwas Gutes tun will und eigene Maßstäbe auch beim Hund ansetzt", findet Peter Fahrenkrug. Der doppelt approbierte und promovierte Tierarzt und Zahnarzt gilt seit fast dreißig Jahren als Deutschlands oberster Tierzahnheilkundler. Bei Diensthunden, Polizeihunden, Schutzhunden, kurz, bei allen Arbeitshunden können funktionstüchtige Zähne wichtig sein. Auch bei Zucht- und Ausstellungstieren wird größter Wert auf vorzeigbare Gebisse gelegt. 

Parodontitis: Gefahr für den ganzen Körper 
Die meisten Hunde, die in Friedrich Roes' Zahnsprechstunde kommen, leiden unter einer sogenannten Parodontitis. "Einfach gesagt, ist das eine Erkrankung des Zahnhalteapparates", erklärt Roes. Man kennt es aus der Zahnpastawerbung: Das Zahnfleisch entzündet sich, es geht mehr und mehr zurück, der Zahn wird locker und fällt schließlich aus. Mit sechs Jahren leiden vier von fünf Hunden unter dieser Erkrankung. 

Ursächlich für dieses Volksleiden der Hunde (und der Menschen) ist das Bakterienwachstum auf den Zahnkronen. Nach jeder Mahlzeit bleibt ein brisanter Cocktail aus Essensresten und Bakterien an den Zähnen kleben. Mit der Zeit lagern sich Mineralien aus dem Speichel ein, und Zahnstein entsteht. Die braunen oder grauen Beläge riechen streng und beherbergen laut zahlreicher wissenschaftlicher Studien über dreihundert Bakterienarten. Das Zahnfleisch entzündet sich und löst sich von der Zahnwurzel. Tiefe Zahnfleischtaschen entstehen, in denen sich weitere Bakterien einnisten und in tiefere Gewebsschichten des Zahnhalteapparats eindringen. Dort können sie mit der Zeit irreparable Veränderungen am Kieferknochen verursachen. 

Die Tiere leiden, ihre Besitzer auch. Wenn Bello sein Herrchen morgens freudig hechelnd aus dem Bett holt, strömt dem gerade Erwachten zur Begrüssung ein unsäglicher Geruch nach fauligen Zähnen entgegen. Doch nicht nur das, die Bakterien im Maul können über den Blutweg auch in andere Organsysteme vordringen. Lungen- und vor allem chronische Nieren- und Herzerkrankungen sowie Diabetes können die Folge sein.

Der Tierzahnarzt wird den Zahnstein bergmännisch abbauen müssen. Per Ultraschall werden die Zahnkronen von den steinharten Belägen befreit. Zahnfleischtaschen müssen gesäubert und eventuell operativ verkleinert werden. Das gesamte Gebiss wird gewienert und poliert, bis die weißen Zähne wieder zum Vorschein kommen. Lockere Zähne werden meist nicht wieder fest und müssen oft gezogen werden. Die vorangegangenen Schmerzen und das Leiden des Tieres werden oft erst nach der Behandlung offensichtlich, wenn das Tier wieder temperamentvoll spielt. Doch damit ist das Problem nicht behoben. Einmal Parodontitis, immer Parodontitis. Ohne regelmäßige Behandlung und eine gründliche Maulhygiene ist die Krankheit nicht aufzuhalten. Einmal jährlich sollten Halter die Zähne ihres vierbeinigen Begleiters überprüfen lassen. 

Karies kommt selten vor 
Weil Hunde sich, zumindest aus Sicht der Zahnärzte, besser ernähren als Menschen, bekommen sie auch weniger Karies. Außerdem sind ihre Zähne härter, und auch der basische pH-Wert des Speichels verhindert Karies. Findet der Zahnarzt oder die Zahnärztin trotzdem ein Loch, kann er oder sie den kranken Zahn mit einer Füllung versorgen. Kunststoff oder Amalgam stehen auch Hunden zur Verfügung. 

Schiefe Zähne? 
"Korrekturen von Zahnfehlstellungen werden immer öfter nachgefragt¿, sagt "Zahnpapst" Dr. Fahrenkrug. Schiefe Zähne kommen relativ häufig vor und stellen meist ein genetisches Problem dar. Besonders kleine und kurzköpfige Rassen leiden darunter. Bei diesen Rassen ist der Kieferknochen durch Zucht verkürzt oder verkleinert, Anzahl und Größe der Zähne bleiben jedoch wie bei einem normalschädeligen Hund. Die Zähne stehen dann aus Platzmangel dachziegelartig nebeneinander, manchmal achsenverdreht oder krumm und schief. Durch die Fehlstellung wird die Selbstreinigung behindert, durch eingeklemmte Futterreste mit nachfolgendem Bakterienwachstum entstehen Zahnfleischentzündungen. 

Karies kommt vor, ist aber eher selten. Hundezähne sind härter als die des Menschen, der ph-Wert des Speichels schützt ihre Beißer. Rechts: Stöcke, Knochen und andere harte Gegenstände strapazieren Zähne, hier am Backenzahn eines Deutschen Schäferhundes.

Schief stehende Zähne können zu Verletzungen in der Mundhöhle führen, zum Beispiel beim Engstand der Fangzähne. Bei dieser Fehlstellung bohren sich die langen Fangzähne des Unterkiefers in den Gaumen. "Es kann passieren, dass der Gaumen durchbohrt wird und eine Verbindung zur Nasenhöhle entsteht - eine üble Sache", sagt Dr. Fahrenkrug. Die einfachste Therapie ist das Absägen der Fangzähne und sofortige Verschließen des Wurzelkanals mit einer Füllung. Alternativ kann der Zahnarzt eine kieferorthopädische Apparatur verpassen, die die Zähne mit der Zeit in die richtige Position drückt. Damit können die Zähne vollständig erhalten bleiben. 

Frauchen, er hat gar nicht gebohrt! 
Für die gute Vorsorge hilft Zähne putzen. Es ist die einzige Möglichkeit, um den Hund parodontal dauerhaft gesund zu erhalten. Mit einer speziellen Hundezahnbürste und Zahnpasta mit Rindfleisch- oder Geflügelaroma funktioniert das auch tatsächlich. Allerdings sollte man schon beim Welpen damit anfangen. 

Besonders bei gefährdeten Rassen müssen schon die Milchzähne zwei- bis dreimal in der Woche gepflegt werden. Wenn Hundehalter erst bei erwachsenen Hunden anfangen, kann es schwierig werden. Oft beginnen die für das Problem sensibilisierten Besitzer mit der Zahnhygiene im Anschluss an eine Zahnsanierung. Das Zahnfleisch ist dann oft entzündet und überempfindlich, die Abwehr des Hundes gegen das Putzen fällt um so heftiger aus. Stellt sich die Frage, warum wild lebende Kaniden ohne Putzen auskommen. Der Grund: Wölfe fressen nicht unbedingt jeden Tag. Zwischen den Mahlzeiten bleibt viel Zeit, die Brösel des Essens mit Speichel und der Zunge zu entfernen. 

Welches Futter reinigt Hundezähne? 
Die Ernährung und vor allem die Anzahl der Mahlzeiten spielen eine Rolle, denn natürliche Zahnreinigung wird durch Bewegung und Hecheln angeregt. Der Speichel umspült die Zähne und reinigt sie gleichzeitig. Wird ein Sofawolf hingegen fünfmal täglich gefüttert und zwischendurch mit Leckerlis versorgt, versagt die Selbstreinigung des Gebisses. 

Auch die Zusammensetzung des Futters spielt eine Rolle. Je mehr gekaut wird, um so besser werden Zahnflächen gereinigt. Weiche und klebrige Futter führen eher zu Zahnbelag als härtere Futterbrocken. Nahrung mit geeigneter Grösse und Struktur animiert zum Zerteilen und Kauen der Futterbrocken, was die Zahnreinigung verbessert. Manche Dentalfutter enthalten Polyphosphate, die Zahnstein vorbeugen sollen. Andere säubern, weil die Fasern der Pellets in einer besonderen Matrix angeordnet sind, die während des Kauens die Zahnoberfläche durch sanften Abrieb reinigen und die Bildung von Zahnstein und Zahnbelag reduzieren sollen.

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